Eignungstests auswählen

Eignungstests sollen für den Berufserfolg relevante Merkmale messen. Die Auswahl eines Fragebogens oder Leistungstests sollte deshalb immer auf einer Anforderungsanalyse beruhen (Kanning, 2019). Eine Qualitätsbeurteilung von Fragebögen und Leistungstests kann erst erfolgen, wenn der Informationsgehalt ausreichend groß ist. Ist die Qualität des Verfahrens zufriedenstellend, wird vor dem Hintergrund des Anforderungsprofils eine Entscheidung getroffen.
Prozess der Auswahl eines Eignungstests

1. Anforderung der Informationen

In einem ersten Schritt sollten Sie von einem Verfahrensanbieter Informationen über die Testgüte anfordern. Sie interessieren sich dafür wie unabhängig und mit welcher Messsicherheit der Fragebogen oder Leistungstest ein Merkmal misst und ob wirklich das Merkmal gemessen wird, auf dessen Messung das Verfahren abzielt. Besonders wichtig ist hierbei, dass auch die zugrundeliegenden Untersuchungsmethoden und die untersuchten Stichproben detailliert beschrieben werden, um die Kennwerte in einem zweiten Schritt interpretieren zu können. Folgende Fragen, die ein seriöser Anbieter Ihnen beantworten wird, können Sie an einen Verfahrensanbieter richten:
  • Liegen Handhabungshinweise zur Sicherstellung der Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität vor?
  • Können Reliabilitätskennwerte berichtet und die zur Ermittlung benutzten experimentellen Methoden beschrieben werden?
  • Wie gut sagt das Verfahren berufliche Leistung für meine Zielgruppe voraus?
  • Liegen aktuelle statistische Normen vor und passen diese zu meiner Zielgruppe?
  • 2. Beurteilung der Qualität des Verfahrens

    Liegen die Informationen vor, können Sie die Qualität des Verfahrens für Ihren Zweck beurteilen. Kann ein Verfahrensanbieter keine Informationen über die Testgüte liefern, spricht dies im Zweifel gegen die Anwendung des Fragebogens oder Leistungstests. Ein eignungsdiagnostisches Verfahren lässt sich danach beurteilen, inwiefern die Gütekriterien erfüllt sind. Hauptgütekriterien sind die Objektivität, Reliabilität und Validität. Zu den Nebengütekriterien zählen unter anderem die Normierung und die Ethik.

    Unter der Objektivität eines Fragebogens oder Leistungstests versteht man den Grad, in dem die Ergebnisse unabhängig von dem Diagnostiker sind. Ziel ist es, das gleiche Ergebnis für einen Kandidaten zu erlangen unabhängig von dem durchführenden Personaler. Die Unabhängigkeit der Ergebnisse vom Diagnostiker muss während der Testdurchführung, Testauswertung und Interpretation gewährleistet werden. Folglich wird auch begrifflich zwischen der Durchführungsobjektivität, Auswertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität unterschieden (Lienert & Raatz, 1998)

    Computerbasierte Testverfahren, die beaufsichtigt durchgeführt werden, bieten durch ein hohes Maß an Standardisierung eine oft sehr hohe Objektivität (Kanning, 2019). Internetgestützte Tests, die unbeaufsichtigt absolviert werden, gehen automatisch mit einer Einschränkung der Durchführungsobjektivität einher. Ein solcher Test kann als Screening eingesetzt werden, wenn die Plausibilität des Ergebnisses in einem späteren Auswahlschritt unter Aufsicht überprüft wird. (Höft, Püttner & Kersting, 2018)

    Fazit: Ein seriöser Testanbieter beschreibt durch welche Vorkehrungen die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität gewährleistet werden.

    Die Reliabilität macht eine Aussage darüber, wie genau ein Verfahren misst. Ein reliables Verfahren verortet den Kandidaten zuverlässig auf einer Ergebnisskala. Je höher die Reliabilität ist, desto weniger ist das Ergebnis durch Messfehler verunreinigt.

    Die Reliabilität eines Verfahrens wird in der Regel durch Reliabilitätskoeffizienten ausgedrückt. (Lienert & Raatz, 1998) Reliabilitätskoeffizienten liegen zwischen 0 und 1. Eine Reliabilität von 1 würde bedeuten, dass das Ergebnis gar nicht von Messfehlern beeinflusst wird. (Kanning, 2019) Verschiedene Methoden ermöglichen die Ermittlung eines Reliabilitätskoeffizienten. Je nach Methode werden die Reliabilitätskoeffizienten sich zu einem bestimmten Grad unterscheiden. Bei einem Vergleich unterschiedlicher Verfahren ist ein Reliabilitätskoeffizient nicht grundsätzlich als besser oder schlechter anzusehen als ein anderer. Verfahrenshersteller sollten deshalb angeben, unter welchen experimentellen und statistischen Verfahren ein Reliabilitätskoeffizient ermittelt wurde. (Lienert & Raatz, 1998)

    Fazit: Als groben Richtwert empfehlen wir Verfahren mit einer Reliabilität von größer als .70 für Verfahren, die konstante Merkmale messen.

    Die Validität eines Verfahrens gibt an, inwieweit es in der Lage ist, das Merkmal zu messen, dessen Messung es anstrebt. Die Validität wird in der Regel durch den Validitätskoeffizienten ausgedrückt. (Kanning, 2019)

    Der Validitätskoeffizient ist ein mathematischer Kennwert, der einen Zusammenhang beschreibt. Er gibt an, wie gut ein Verfahren ein bestimmtes Merkmal misst. Der Kennwert kann zwischen -1 und +1 liegen. Ein Wert von -1 beschreibt einen perfekten negativen Zusammenhang, +1 einen perfekten positiven Zusammenhang und 0 keinen Zusammenhang. (Kanning, 2019)

    • Prognostische Validität: Die prognostische Validität ist ein Maß der Validierung, das die Voraussagekraft für ein bestimmtes Kriterium (z. B. berufliche Leistung) angibt. (Kanning, 2019)
    • Inkrementelle Validität: Hat ein Prädiktor „inkrementelle Validität“ bietet dieser einen Mehrwert bei der Vorhersage eines Kriteriums. Das Verfahren misst also nicht das Gleiche, wie ein anderes angewendetes Verfahren. (DTK, 2018)

    Fazit: Ein Verfahren, welches berufliche Leistung vorhersagen möchte, sollte möglichst stark positiv mit beruflicher Leistung zusammenhängen. Tests mit Validitäten von .30 können schon von praktischer Bedeutung sein. Tests, die eine niedrigere Validität haben, sind in alleiniger Anwendung nahezu nutzlos. Erst in Kombination mit weiteren Verfahren können sich solche Tests als sinnvoll erweisen. (Lienert & Raatz, 1998)

    Die Normierung schafft einen Bezugsrahmen und hilft somit bei der Interpretation von Ergebnissen. Liegen bei einem Verfahren statistische Normen vor, sollte die verwendete Normierungsstichprobe zum Anwendungskontext passen. Außerdem sollte die Normierung möglichst nicht älter als acht Jahre alt sein. Sind die Normen nicht passend oder veraltet, können auch eigene unternehmensspezifische Normen generiert und genutzt werden (Kanning, 2019). Die Verwendung von Normen ist allerdings nur sinnvoll, wenn bei einem Verfahren eine Gegenüberstellung mit einer Vergleichsstichprobe angestrebt wird. (Bühner, Ziegler & Kersting (2018)

    Fazit: Bei Verfahren, die den Vergleich mit einer Vergleichsstichprobe anstreben, sollten aktuelle statistische Normen vorliegen, die zu Ihrer Zielgruppe passen. 

    Selbstverständlich müssen bei der Anwendung eines Verfahrens alle relevanten rechtlichen Bestimmungen, wie beispielsweise die Datenschutzbestimmungen, eingehalten werden. Darüber hinaus sollte ein Verfahren Bevölkerungsgruppen nicht in systematischer Weise benachteiligen. Spielt die Sprache keine Rolle für die berufliche Leistung einer Person, kann auf sprachfreie Verfahren zurückgegriffen werden. Auch Seh- oder Farbschwächen sollten nicht zu einer systematischen Benachteiligung in Tests führen, solange dieses Merkmal unrelevant für die spätere berufliche Leistung ist.

    Eine Möglichkeit, Diskriminierung transparent zu machen, bietet der FAIR Index. Der FAIR Index wurde im Rahmen des FAIR Projekts in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln entwickelt.

    Fazit: Ein Verfahren muss mit rechtlichen Bestimmungen kompatibel sein und darf nicht systematisch Bevölkerungsgruppen diskriminieren.

    Der DIN Screen kann bei der systematischen Beurteilung helfen

    Der DIN Screen dient der systematischen Beurteilung von Testverfahren. Er definiert eine Reihe von „Muss“- und „Soll“-Kriterien, die in Abhängigkeit von der Fragestellung als mehr oder weniger bedeutsam anzusehen sind.
    Das Diagnostik- und Testkuratorium hat eine große Anzahl von Leistungstests und Fragebögen rezensiert. Diese Rezensionen sind kostenfrei zugänglich und orientieren sich an der DIN 33430.

    3. Entscheidung für einen Fragebogen oder Leistungstest

    Im letzten Schritt können Sie sich für einen Fragebogen oder Leistungstest entscheiden. Im Fokus Ihrer Entscheidung sollte die prognostische Validität der Verfahren stehen, das heißt wie gut ein Verfahren die berufliche Leistung voraussagt. Ist die prognostische Validität nicht gegeben, bietet das Verfahren keinen Mehrwert für Ihren Auswahlprozess. Deshalb sollten Sie hier fehlende Daten nie entschuldigen, auf Nachweise bestehen und im Zweifel das Verfahren nicht einführen. Auch die Ökonomie des Verfahrens wird bei der Entscheidung berücksichtigt. Je höher der finanzielle, zeitliche und personelle Aufwand ist, desto höher sollte auch die Validität eines Verfahrens sein, sodass der Aufwand gerechtfertigt ist.

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    Literatur

    Bühner, M., Ziegler, M. & Kersting, M. (2018). Statistisch-methodische Grundlagen der Eignungsbeurteilung. In Diagnostik- und Testkuratorium (Hrsg.), Personalauswahl kompetent gestalten (S. 155–188). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

    Höft, S., Püttner, I. & Kersting, M. (2018). Anforderungsanalyse, Verfahren der Eignungsbeurteilung sowie rechtliche Rahmenbedingungen. In Diagnostik- und Testkuratorium (Hrsg.), Personalauswahl kompetent gestalten (S. 95–154). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

    Kanning, U. P. (2019). Standards der Personaldiagnostik. Personalauswahl professionell gestalten (2., überarbeitete und erweiterte Auflage). Göttingen: Hogrefe.

    Lienert, G. A. & Raatz, U. (1998). Testaufbau und Testanalyse (Grundlagen Psychologie, 6. Auflage). Weinheim: Beltz. Verfügbar unter http://www.content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783621278454

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